„Miki“ – was offene Daten über die Barrierefreiheit von Kiezen erzählen

Im Projekt „Miki“ (Mobil im Kiez) haben wir OpenStreetMap-Daten sichtbar gemacht, die bisher schwer aufzufinden waren – aber für Barrierefreiheit sehr relevant sind. In einem Prototypen zeigen wir, was man damit alles anstellen kann.

Wie finde ich als Mensch mit eingeschränkter Mobilität unterwegs ein Café, in das ich auch reinkomme? Welches Kino könnte ich mit meinem Opa besuchen, das keine Stufen hat? 

Solche Fragen gaben uns, dem Wheelmap-Team des Berliner Vereins Sozialhelden e.V., im Jahre 2010 den Anlass, eine Online-Karte für rollstuhlgerechte Orte ins Netz zu bringen – Wheelmap.org.

Miki – ein Karten-Prototyp für die Barrierefreiheit der Umgebung

Bisher unbeantwortet blieben allerdings solche Fragen: Wo möchte ich mit einem Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen am liebsten wohnen – und wo lieber nicht? Wie finde ich heraus, ob es Fahrrad- oder Gehwege mit glatten Oberflächen zum stufenlosen Kino-Gebäude gibt? Komme ich ohne Kopfsteinpflaster zum barrierefreien öffentlichen WC?

Diese Fragen waren der Anfang von „Miki„, dem Projekt „Mobil im Kiez“, in dessen Rahmen wir eine Prototyp-App entwickelt haben. Mit ihr kann man neue Einsichten über Kieze, Vororte, und Gebiete im Freien gewinnen.

Die Kartenanwendung kann Bürger*innen und Städteplaner*innen dabei helfen, Probleme in der Barrierefreiheit von Stadtteilen einfacher in einer Übersicht zu erkennen und zu beheben.

Hier sind ein paar Eindrücke davon, was man mit Miki, das auf Daten der OpenStreetMap basiert, alles herausfinden kann.

Details zur Barrierefreiheit in verschiedenen Zoomstufen

Bei der Entwicklung des Kartenprototyps wollten wir Klicks reduzieren: Scrollen und Zoomen allein sollte genügen, um intuitiv Informationen zu erfassen. Allerdings gibt es auf OpenStreetMap sehr viele Arten von Information zur Barrierefreiheit. Eine Weltkarte wäre nicht besonders übersichtlich, wenn auf ihr jeder Gartenzaun zu sehen wäre – ja, auf OpenStreetMap werden tatsächlich Gartenzäune eingetragen – wir mussten also etwas filtern.

Am Beispiel der Stadt Saarbrücken zeigen wir, wie das funktioniert:

In der niedrigsten Zoomstufe sieht man eine Übersicht einer Stadt oder eines Ortes. Hier zeigt die App: In welchen Vierteln oder Kiezen kann ich mich am besten bewegen? Unser Wheelmap-Ampelsystem für Orte haben wir hierbei einfach auf Bodenflächen übertragen. Grüne Flächen sind besonders glatt. Gelb markierte Oberflächen sind gerade noch mit einem Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen zu überqueren. Rote Oberflächen sind holpriger, sie sind z.B. aus Pflaster, Sand oder grobem Schotter. Hellgraue Flächen sind noch nicht auf OpenStreetMap eingetragen.

Auf den ersten Blick stechen in Saarbrücken Fußgängerzone und nördliche Altstadt heraus: Hier ist man, z.B. als Tourist*in, vermutlich besonders barrierefrei unterwegs.

Wir wagen uns näher an die Saarbrücker Fußgängerzone heran: 

In der mittleren Zoomstufe liegt der Fokus nun auf Gebäuden und einzelnen Zielen innerhalb dieser Gebäuden. Die Labels der Orte sind wie gewohnt nach dem Wheelmap-Ampelschema eingefärbt – grün steht für rollstuhlgerecht, gelb für teilweise rollstuhlgerecht, und rot steht für nicht rollstuhlgerecht. Die Farben der Flächen werden etwas blasser: Nun bezieht sich das Ampelschema auf Gebäude.

Wheelmap-Nutzer*innen wird hier auffallen, dass es gar keine roten Labels gibt. Das ist Absicht! Wir räumen in dieser Zoomstufe barrierefreien Orten in dieser Ansicht mehr Platz ein. Grüne und gelbe Orts-Beschriftungen „verdrängen“ die roten. 

Können wir wir Betreiber*innen dieser Orte damit zu mehr Barrierefreiheit motivieren? Wäre das nicht auch eine tolle Idee für Apple Maps und Google Maps? Wer seinen Ort barrierefrei macht, könnte auch dort automatisch sichtbarer werden – und vielleicht würden am Ende Marketing-Ausgaben so Richtung Barrierefreiheit gelenkt.

Weiter geht’s zur höchsten Zoomstufe:

Rote, nicht rollstuhlgerechte Orte werden jetzt auffindbar.

Im Gegensatz zu vorher erhalte ich in dieser Zoomstufe eine neue Information, die es in üblichen Karten-Apps noch nicht gibt: die OpenStreetMap-Community hat für die Saarbrücker Innenstadt tatsächlich für jeden einzelnen Eingang Details eingetragen, die wir im Prototyp visuell darstellen können! Für viele Menschen dürfte diese Information wirklich hilfreich sein.

Stellt man Saarbrücker Gebäudeeingänge auf einer Karte dar, sieht das übrigens so aus:

Karten wie diese können auch Unrecht sichtbar machen, denn barrierefreie Teilhabe ist ein wichtiger Bestandteil der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen. Eine Städteplanung, in der ganze Gegenden keine barrierefreien Eingänge haben, dürfte es eigentlich gar nicht geben. Ein unerwartetes Beispiel hierfür ist ein Straßenzug in Berlin-Mitte. Ähnliche Beispiele finden sich in vielen Städten. Bedeuten hohe Gewerbemieten für eine Gegend mehr Barrierefreiheit? Hier leider nicht:

Wer mit Kinderwagen oder Rollstuhl einkaufen will, sollte um diese Gegend also lieber einen Bogen machen. Dann doch lieber in die nächste langweilige Mall! Wären wir diese Gegend, würden wir jedenfalls auch vor Scham erröten.

Eine (sehr) barrierefreie Toilette – auf einem holprigen Pflaster

Beim Erkunden der Münchner Innenstadt fiel uns in in der Karte eine „Toilette für Alle“ auf, die sich in München am Sendlinger Tor befindet. Das Projekt „Toiletten für Alle“ baut vor allem in der südlichen Hälfte Deutschlands sehr barrierearme Toiletten: Ein Deckenlifter und eine Liege (für Erwachsene) gehören hier zur Standardausstattung. Außerdem sind die Toiletten sehr geräumig.

Allerdings erkennt man in unserem Werkzeug: Vor der Toilette befindet sich eine gepflasterte Oberfläche. Eine solche Umgebung sollte dafür natürlich nicht gewählt werden!

Eine Kartenübersicht des Sendlinger Tors in München. Eingekapselt von rot dargestelltem Pflaster sieht man, wo sich die barrierefreie Toilette befindet.
Am Sendlinger Tor befindet sich eine barrierefreie Toilette - aber in der Mitte einer rot markierten gepflasterten Fläche.

Beleuchtung

Neben der Bodenbeschaffenheit fanden wir in OpenStreetMap-Daten auch häufig Angaben darüber, ob eine Fläche beleuchtet ist oder nicht, z.B. am Dalmannkai in Hamburg, in der Nähe der Elbphilharmonie. Vielleicht könnte man in einer Ausbaustufe auch diese Information visualisieren.

Einzelne Sehenswürdigkeiten nach Untergrund auswählen

Dieses Denkmal war zur Zeit seiner Eintragung auf OpenStreetMap nur über schwierigen Untergrund mit einem Rollstuhl zu erreichen: Die Wiese wird auf unserer Karte als rote Fläche dargestellt.

Ein Denkmal, einmal als Foto, einmal als Kartenansicht.
Photo: Michel Moreau / Wikimedia Commons (CC-BY-SA 4.0)

Auch ohne das dargestellte Foto zu kennen, kann man diesen Umstand schon beim visuellen Überfliegen der Karte erkennen. (Inzwischen wurde der Platz baulich verändert. Er ist nun rollstuhlgerecht.)

Wie geht’s weiter?

Natürlich möchten wir, dass die Visualisierungen auch für Wheelmap-Nutzer*innen irgendwann direkt über die Wheelmap erreichbar sind.

Wir laden dich ein, Gegenden in unserem Prototypen zu erforschen – er funktioniert überall auf der Welt, wo auf OpenStreetMap Barrierefreiheit und Bodenbeschaffenheiten eingetragen sind. Dir fällt etwas auf? Teile besondere Funde gern mit uns, z.B. auf Twitter!

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