Unterwegs in der kanadischen Metropole: Die baulichen Maßnahmen zur Barrierefreiheit sind gut, auch wenn im ÖPNV und in den Straßen noch nicht alles zugänglich ist. Das wichtigste jedoch ist die Zuvorkommenheit. Personen mit Rollstuhl sind in Toronto selbstverständlicher Teil der Vielfalt. Ein Erfahrungsbericht aus der Rollstuhlperspektive.
Wolkenkratzer, Hafen, Foodtruckfestival. Toronto ist eine Großstadt mit vielen Facetten. Mit dem Rollstuhl kommt man gut voran, es gibt weitestgehend abgesenkte Bordsteinkanten. In der Stadt fällt überall das neue, aktive Symbol für rollstuhlgerechte Eingänge auf.
Die Knöpfe, auf denen Rollstuhlsymbole abgebildet sind, finden sich an jeder U-Bahn-Station, an jedem Eingang in einen Supermarkt. Wenn man sie drückt, öffnen sich die Türen automatisch. Man fühlt sich als Rollstuhlfahrerin mitgedacht, ganz im Sinne des Disability Mainstreaming.
Der Wheel-Trans-Bus ist theoretisch eine gute Sache
Auch im ÖPNV werden Menschen mit Rollstuhl nochmal selbstverständlicher berücksichtigt. Es gibt zu normalen Ticketpreisen den sogenannten Wheel-Trans, einen kleineren Bus für etwa 3 Rollstuhlfahrer*innen und deren Begleitung. Er hat insgesamt 8 Sitzplätze. Den Wheel-Trans kann man 24 Stunden vorher anfragen.
Wir hatten allerdings mit der Pünktlichkeit des Fahrdienstes bei den beiden Malen, als wir den Bus in Anspruch nehmen wollten, nicht so viel Glück – das eine Mal mussten wir eine halbe Stunde warten und dann wurde es schon knapp, den Termin in unserem vollen Programm einzuhalten. Das führte dazu, dass wir an den folgenden Tagen lieber auf die Metro umstiegen.
Freundliche Busfahrer*innen – keine seltene Spezies in Toronto
Von den Stationen im Metronetz sind nur einige rollstuhlgerecht. Es bedarf also einiger Planung, wenn man mit dem Rollstuhl von A nach B möchte, aber das ist man aus deutschen Städten ja auch gewöhnt. Bei barrierefreien Stationen kommt man gut zurecht.
Und dann gibt es in Toronto eine Spezies, die das gesamte Team erstaunt hat, weil wir sie in Berlin so selten erleben: freundliche Bus- und Tramfahrer*innen. Sie sagen Guten Tag, geben Auskunft zu Tarifen, fahren ruhig und geduldig die automatische Rampe aus und wünschen einen Guten Tag beim Aussteigen.
Doch eines müssen sie im Gegensatz zu den deutschen Kollegen anders machen: Sie müssen die Rollstühle für die Fahrt sichern. Man ist in Toronto also nicht an den Rollstuhl, sondern an den Bus gefesselt – Sicherheitsbestimmungen. Und obwohl das alles länger dauert als in Berlin, wirkt keiner genervt.
Torontos Bürger*innen sind zuvorkommend, offen und kreativ
Ein soziales Klima geprägt von Zuvorkommenheit wurde auch anderen Stellen sehr deutlich: Beim Mapping-Walk mit der Wheelmap kamen wir immer wieder ins Gespräch mit den Bürger*innen Torontos. Passant*innen auf der Straße erkundigten sich interessiert, was wir da machten.
Bei der Überprüfung der Wheelmap-Kriterien in einem Shops oder Café gab es ausschließlich positive Reaktionen: Wir fragten die Ladenangestellten, ob sie eine Rampe für die Stufe am Eingang haben. Wenn sie dies verneinen mussten, war die nächste Frage sogleich: „Was kann ich meinen Chef ausrichten, wie wir barrierefrei werden können?“. Es war schön, eine solche Offenheit zu erleben.
Man sieht im Stadtbild nicht nur städtebauliche Maßnahmen für Barrierefreiheit, sondern auch Guerilla-artige Aktionen, wie die der StopGap-Foundation vom Gründer Luke Anderson, die bunte, selbstgebaute Holzrampen in ganz Toronto verteilt. Das erweckt den Eindruck einer Stadt, in der sich die Bewohner*innen gegenseitig umeinander kümmern.
Rollstuhlfahrer*innen werden überall mitgedacht
Aber auch offizielle Stellen kümmern sich. Dazu gehört auch, dass es eine hohe Dichte an öffentlichen WCs gibt. Längere Trips durch die Stadt muss man so nicht penibel anhand der nächsten rollstuhlgerechten Toiletten planen, denn es gibt sie fast überall, auch am Strand. (Wir waren ebenfalls sehr erfreut über All-Gender-WCs.) Dadurch werden Vorhaben erleichtert und man kann spontaner sein, als in der ein oder anderen deutschen Stadt. Dies ist ein Vorteil für viele, nicht nur für mobilitätseingeschränkte Personen
Und dann gab es da noch diese kleinen Gesten, die einfach nett sind: Auf einer der Hauptverkehrsadern Torontos, der Yonge Street, versperrte eine temporäre Baustelle den Gehweg. Aber auch hier dachte die Stadt gleich an die Rollstuhlfahrer*innen, denn ein Wegweiser zeigte eine extra Information für die barrierefreie Umfahrung der Baustelle an.
Generell sieht man überall, dass Barrierefreiheit länger ein Thema ist, da Türöffner- und Aufzugsknöpfe durch häufigen Gebrauch abgewetzt und Rampen abgenutzt sind.
Mit Rollstuhl ist man Teil der selbstverständlichen Vielfalt
Fazit: Toronto ist eine Stadt mit passablen Strukturen für Barrierefreiheit. Ein plus ist die Zuvorkommenheit und Freundlichkeit im Service. Unsere Erlebnisse zeigen, dass mobilitätseingeschränkte Personen einfach mitgedacht werden und selbstverständlich dazugehören. Ein Teil der Vielfalt zu sein, die für das Straßenbild in Toronto so selbstverständlich zu sein scheint, ist schön.
Alle Fotos: Andi Weiland / Gesellschaftsbilder.de, 2017
Mitarbeit: Svenja Heinecke