Ich war mit meinem Rollstuhl schon auf so einigen Festivals und ich kann eigentlich nur jedem raten, das “Wagnis” einzugehen. Egal ob der Transfer misslang, das bestellte rollstuhlgerechte Dixie-Klo nicht da war oder plötzlich sintflutartige Regenfälle niedergingen und ich mit dem THW-Unimog aus dem Schlamm gerettet werden musste – es war insgesamt gesehen immer ein tolles Erlebnis. Und das Gute an den großen und kleinen Katastrophen ist ja: man lernt aus ihnen. Hier möchte ich meine Erfahrungen mit euch teilen.

 

Beim Ticketkauf

Die meisten deutschen Festivals lassen die Begleitperson eines Rollstuhlfahrers kostenlos rein, wenn der Rollstuhlfahrer das Merkzeichen “B” im Schwerbehindertenausweis hat. Informiert euch darum im Vorfeld beim Veranstalter darüber, ob dies bei eurem Wunschfestival auch so gehandhabt wird. Falls ihr ein Festival im Ausland besuchen wollt, denkt daran, dass ein deutscher Schwerbehindertenausweis dort sehr wahrscheinlich nicht anerkannt wird.

Camping oder Hotel?

Zum Festivalfeeling gehört in der Regel auch das Campen. Die Entscheidung, ob man auf den Luxus eines komfortablen (rollstuhlgerechten) Hotelzimmers verzichtet, bleibt jedoch jedem selbst überlassen. Ich würde empfehlen, die individuellen Bedürfnisse genau zu bedenken und sie mit den Gegebenheiten vor Ort abzugleichen:

Eine Frau mit Rollstuhl steht vor dem Zelt, das aussieht wie ein VW-Bus.

  • Gibt es auf dem Festivalground rollstuhlgerechte Dixie-Klos und Duschen?
  • Brauche ich Strom für den Rollstuhl oder medizinische Geräte? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass in diesem Fall meist nur das Campen auf dem Wohnmobil-Ground möglich ist. Leider liegen diese Campingflächen oft nicht so nah am Gelände, daher erkundigt euch besser vorher, ob der Weg dorthin für euch machbar ist oder ob ein Stromanschluss ggf. auch woanders verfügbar wäre.
  • Gibt es einen Rollstuhl-Campingground? Und falls ja: Will ich dort überhaupt campen?

Viele Festivals, wie z.B. das Deichbrand, bieten einen Campingbereich für Menschen mit Behinderung an. Dieser liegt meist nah an den Bühnen und den rollstuhlgerechten sanitären Einrichtungen, im Idealfall sind dort auch die Wege befestigt. Aber: Auf diesen Campground kann man oft nur eine limitierte Anzahl von Freunden mitbringen. Das Wacken z.B. erlaubt 4 Begleiter bzw. ein Fahrzeug samt Insassen. Beim Hurricane oder Southside darf man mit Schwerbehindertenausweis zwar auf den VIP-Ground, muss dort jedoch allein oder (bei Merkzeichen “B”) mit einer Begleitung übernachten.

Das Wacken, in meinen Augen einer der Festival-Vorreiter in Sachen Inklusion, bietet eine schöne Alternative: Dort gibt es mehrere behindertengerechte Sanitärcamps, sodass man nicht auf die separate Campingfläche ausweichen muss.

Falls ihr euch für das Hotel entscheidet: Bucht rechtzeitig ein für euch passendes Zimmer und erkundigt euch, wie ihr von dort zum Gelände kommt. Beim Sziget, das mitten in Budapest auf der Donauinsel Óbudai stattfindet, gibt es z.B. einen rollstuhlgerechten Shuttle Bus.

Generell – wie rollstuhlgerecht ist das Festivalgelände?

  • Gibt es befestigte Wege? Hier punkten nach meiner Erfahrung Festivals, die eine bereits vorhandene Infrastruktur nutzen, wie das Deichbrand oder das Sziget. Dort gibt es im Gegensatz zu anderen Festivals befestigte Wege.
  • Sind rollstuhlgerechte Toiletten vorhanden? Und wo? Am besten checkt ihr deren Lage, bevor ihr sie dringend aufsuchen müsst. Da es meist nur wenige gibt, kann man sie leicht übersehen.
  • Gibt es Rollstuhlpodeste vor den Bühnen? Meist sind diese nur bei den großen Bühnen vorhanden.

Zwei Rollstuhlfahrer*innen stehen auf der Tribüne für Rollstuhlfahrer. Vor ihnen sieht man verschwommen die Festivalbühne.

Vorbereitung

  • Regenschutz: Für mich hat es sich bewährt, den üblichen Plastik-Poncho dabei zu haben. Den kann ich, im Gegensatz zu einer Regenjacke, auch über die Rückenlehne des Rollstuhls ziehen, um bei Regengüssen nicht auf einem nassen Kissen sitzen zu müssen.
  • Sonnenschutz: Auf den Rollstuhltribünen ist man der Sonne oft schutzlos ausgeliefert. Deswegen vorab überlegen, wie man sich schützen kann.
  • Beleuchtung: Eine Taschenlampe kann nicht nur helfen zu sehen, sondern auch gesehen zu werden, besonders im dichten nächtlichen Gedränge. So ein Festival-Abend macht gleich viel mehr Spaß, wenn man nicht permanent versehentlich angerempelt wird.
  • Rollstuhlcheck: Viele Festivals haben unbefestigte Holperwege, nicht selten wird der Rollstuhl einem echten Härtetest unterzogen. Falls also irgendwelche Mängel vorliegen, lasst sie besser vorher beheben!
  • Die Begleitung: Mit guten Freunden macht so ein Festival erst so richtig Spaß.

Bittet, falls nötig, auch Fremde um Hilfe!

Egal ob Festivalcrew, Security, Rettungsdienst oder andere Besucher – im Grunde packen die meisten gern mit an, wenn sie gefragt werden.

Universal-Tipp: Nachfragen!

Zu guter Letzt: Fragt immer nach, wenn etwas nicht so gut läuft oder für euch nicht möglich ist. Meist lässt sich doch eine Lösung für das Problem finden. Ich bekam beispielsweise auf Anfrage beim Wacken vor einigen Jahren sogar eine eigene rollstuhlgerechte Toilettenkabine, weil es bei uns auf dem WoMo-Campingplatz keine gab. Ein super Service!

Foto-Credit: Timo Hermann, Gesellschaftsbilder.de, 2016

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